Drehtag für Theaterprojekt
Für eine Theaterinszenierung von Die verlorene Ehre der Katharina Blum (Heinrich Böll) stand, bzw. saß ich heute vor der Kamera. Die Theatergruppe Vierte Wand e.V. wird das Stück im Februar 2026 im Dachtheater des Hauses Steinstraße in der Leipziger Südvorstadt aufführen.
Es geht um eine unbescholtene junge Frau, die bei einer Karnevalsfeier einen Mann kennen lernt, mit dem sie eine Nacht verbringt. Da dieser im Verdacht steht, einen Bankraub und einen Mord begangen zu haben, stürmt die Polizei Katharinas Wohnung, der Verdächtige ist jedoch nicht aufzufinden. Katharina wird verhört und gerät ins Visier der ZEITUNG, die durch eine Kampagne ihren Ruf ruiniert und sie als Gangsterbraut darstellt. In diesem Zuge gräbt der Reporter Tötges auch den nicht gerade sympathischen Ex-Mann von Katharina Blum aus, den Textilarbeiter Brettloh und interviewt ihn.
BRETTLOH
Jetzt weiß ich endlich, warum sie mir tritschen gegangen ist. Das war’s also, was da lief. Unser bescheidenes Glück genügte ihr nicht. Sie wollte hoch hinaus, und wie soll schon es ein einfacher Arbeiter je zu einem Porsche bringen? So müssen falsche Vorstellungen von Sozialismus ja enden. Ich frage Sie und Ihre Leser: Wie kommt ein Dienstmädchen an solche Reichtümer? Ehrlich erworben kann sie’s nicht haben. Jetzt weiß ich, warum ich ihre Radikalität und Kirchenfeindlichkeit immer gefürchtet habe, und ich segne den Entschluss unseres Herrgotts, mir keine Kinder zu schenken. Und wenn ich dann noch erfahre, dass ihr die Zärtlichkeiten eines Mörders und Bankräubers lieber waren als meine unkomplizierte Zuneigung, dann ist auch dieses Kapitel geklärt. Und dennoch möchte ich ihr zurufen: Meine liebe Katharina, wärst du doch bei mir geblieben. Auch wir hätten es im Laufe der Jahre zu Eigentum und einem Kleinwagen gebracht. Einen Porsche hätte ich dir wohl nie bieten können, nur ein bescheidenes Glück, wie es ein redlicher Arbeitsmann zu bieten hat, der der Gewerkschaft misstraut. Ach, Katharina.
Die verlorene Ehre der Katharina Blum, Heinrich Böll, erschienen 1974
Diese Sequenz wird im Theaterstück als Video zu sehen sein, deshalb heute der Dreh. Ich tat mich ein bisschen schwer mit diesem sehr literarischen Text, der nicht so gut zu einem einfachen Textilarbeiter passen will. Aber ich tat mein Bestes, das gekränkte Ego dieses Mannes gut darzustellen. Wir drehten in der Küche einer WG unweit der Eisenbahnstraße, ich saß vor einer weißen Wand auf der Bank, vor mir auf dem Tisch ein Glas Bier und einen Unterteller, der als Aschenbecher diente. Ich musste unwillkürlich an meinen Vater denken, an unsere Küche, in der viel geraucht wurde. Ein bisschen so saß ich da, eine qualmende Zigarette in der Hand und mich über meine Ex beschwerend, der das Leben mit mir nicht genug war. Da steckt viel Schmerz drin, aber auch eine latente Aggressivität.
Kommt gerne im Februar in die Steinstraße und schaut es euch an. Ich bin mir sicher, es lohnt sich.