23.7.2021

Berliner Höhenweg

Wanderzeichen mit Talblick

Mein Sommerurlaub führte mich in diesem Jahr in die österreichischen Alpen, ins Zillertal. Rund um das Tal wartete ein sehr bekannter und populärer Weitwanderweg, der Berliner Höhenweg, auch bekannt als Zillertaler Runde. Etwas optimistisch hatte ich die Tour bei einer Leipziger Wandergruppe gesehen und mich nach langer Urlaubsabstinenz durch Corona sehr darauf gefreut. Schon die ersten Etappen hatten es aber ziemlich in sich, meine Schuhsohlen lösten sich, mit Ersatzschuhen ging es weiter. Ich konnte die Tour nicht ganz vollenden, sondern nutzte die Gelegenheit am Schlegeisspeicher, den Bus zurück nach Mayrhofen zu nehmen. Dennoch sechs eindrucksvolle Tage in den Bergen, an die ich mich gerne erinnere.

1. Tag

Anreise aus Leipzig, Aufstieg zur Karl-von-Edel-Hütte

Mit dem Zug fuhren wir von Leipzig über München und Jenbach nach Mayrhofen. Während uns anfangs noch die Klimaanlage kühlte, verfügte die Zillertalbahn über nichts dergleichen und hatte sich in der Mittagshitze sommerlich erwärmt. Gemächlich zuckelten wir an der Ziller entlang, die Berge wurden immer höher. Um nicht alles zu Fuß gehen zu müssen, nahmen wir die Ahornbahn, bei sommerlichem Wetter blieb noch ein kleiner Anstieg bis zur Karl-von-Edel-Hütte. Den Abend verbrachten wir auf der Terrasse mit wunderschöner Aussicht ins Tal.

Terrasse der Edelhütte

2. Tag

Siebenschneidenweg zur Kasseler Hütte

Blick zurück zur Edelhütte

Schon an der Karl-von-Edel-Hütte hatte uns ein gelbes Wanderschild gewarnt, neun Stunden sollten es bis zur nächsten Hütte sein. In unserem Tour-Buch waren es immerhin 7,5 Stunden. Jedenfalls wurde es kein langer ausgelassener Abend, und früh am nächsten Tag ging es los. Der Weg war sehr anspruchsvoll, vor allem durch das immer wieder vorkommende Blockgelände. Das kann man sich als große Felsbrocken vorstellen, über die man drüber laufen/klettern/balancieren darf, die Königsdisziplin des Gehens im Gebirge. Es erfordert hohe Konzentration und Ausdauer. Nach vier oder fünf Stunden war ich bereits ziemlich fertig, außerdem hatte sich ein Gruppenmitglied den Fuß verstaucht und konnte nur noch langsam weiter. Wir teilten die Gruppe, angesichts eines möglichen Gewitters am Nachmittag wollten die meisten rasch weiter zur Hütte.

Inzwischen musste ich feststellen, dass sich meine Schuhsohlen unabhängig machen wollten, am linken Schuh begann sich die Sohle zu lösen. Wir fanden zwar unterwegs ein stabiles Band und knoteten eine Schlaufe um den Vorderschuh, aber das war keine Dauerlösung. Leider beginnt dieser Zerfall immer erst beim Laufen, lange Monate vorher im Schrank hatte sich vermutlich der Kleber gelöst, jedoch ohne erkennbare Spuren.

Der Weg zog sich noch viele Stunden, die ausgewiesenen neun Stunden haben wir letztenlich locker gebraucht. Und beim letzten Anstieg toste auch ein Gewitter los, in den Bergen wahrlich kein Vergnügen. Mit letzter Kraft schleppten wir uns zur Hütte, mit einem völligen Tunnelblick und sehr froh, das rettende Dach erreicht zu haben. Auch unsere beiden Nachzügler kamen nicht viel später sicher an.

Der Hüttenwirt hatte zum Glück noch ein paar alte vergessene Wanderschuhe übrig, mit denen ich die Tour fortsetzen konnte, ansonsten hätte ich am nächsten Tag mit sich immer mehr auflösenden Schuhen absteigen müssen.

Wanderschuhe

3. Tag

Kasseler HütteGreizer Hütte

Der nächste Tag brachte uns einige schwierige Gebirgsbach-Überquerungen. Teilweise waren Hänge abgerutscht und der normale Wanderweg nicht mehr erkennbar. Besonders am zweiten Übergang machte uns ein bröckeliger Hang auf der Gegenseite zu schaffen, vor mir rutschte ein Mitwanderer einige Meter talwärts ins Wasser, nachdem der Hang nachgegeben hatte. Es ging glimpflich aus, sah aber bedrohlich aus.

Danach ein anstrengender Aufstieg, danach wieder viele Höhenmeter hinunter zur Greizer Hütte. Es war schon deutlich anstrengender als erwartet, ich war im Vorfeld nicht wirklich zum ausgiebigen Wandern gekommen. Das rächte sich jetzt an diesen beiden ziemlich anspruchsvollen Etappen.

4. Tag

Greizer HütteBerliner Hütte

An diesem Tag stand eine der anstrengendsten Etappen auf dem Programm, der Weg führte steil rauf über die Mörchenscharte, mit Auf- und Abstiegen von reichlich 1000 Metern. Jedoch regnete es am frühen Morgen und die Wegeverhältnisse erschienen der Mehrzahl in der Gruppe als zu riskant. Deshalb stiegen wir ab Richtung Tal. Es war ein wenig ungewiss, wie weit wir kommen würden, ob wir unterwegs eine zusätzliche Hotelübernachtung brauchen würden. Das Wetter klarte aber auf, die Wolken verschwanden, Sonnenschein.

Und plötzlich bemerkten wir ein großes Auto, ein Alpen-Taxi, das an uns vorbei fuhr. Damit war eine Lösung in Sicht, doch noch auf anderem Weg zur nächsten Hütte zu kommen. Wir riefen dort an und ließen uns bis zum Breitlahner fahren, weiter rauf ging es nicht. Auf einem vergleichsweise einfachen Weg stiegen wir die gut 1000 Höhenmeter zur Berliner Hütte auf. Nach knapp drei Stunden sahen wir dann die Fahnen mit dem Berliner Bären wehen und genossen den Aufenthalt in diesem denkmalgeschützten Schmuckstück einer Berghütte.

Vesper in der Berliner Hütte

Im riesigen – fünf Meter Raumhöhe! – Speisesaal mit Kronleuchtern gab es eine Vitrine zur Kuchenauswahl am Nachmittag, außerdem eine richtige Siebträger-Kaffeemaschine. Am Morgen hatte der Hüttenwart der letzten Hütte löslichen Kaffee in die Kännchen gefüllt. Aber die Berliner Hütte setzt da schon Maßstäbe, ein Palast in den Bergen, auch das Abendessen glänzte durch ein Salatbüffet.

Salatbüffet in der Berliner Hütte

5. Tag

Berliner Hütte – Schönbichler Horn – Furtschlaglhaus

Berliner Hütte

An diesem Tag folgte eine weitere anstrengende Etappe mit gut 1000 Höhenmetern Aufstieg. Es ging aufs Schönbichler Horn und damit über 3000 Meter. Und diesmal gab es kein Entkommen, wir brachen gewohnt zeitig auf und erklommen Schritt für Schritt den Anstieg. Es begann sonnig und angenehm und wurde immer steiler und ausgesetzter. Oben wurde es eine leichte Kletterei und wir waren mitten im Nebel. Ein schneidender Wind ließ uns nicht lange verweilen, sondern gleich den Abstieg angehen. Gesichert mit Stahlseilen ging es steil bergab, stellenweise sehr ausgesetzt und rutschig. Und dann noch viele Meter runter zur nächsten Hütte.

Aufstieg zum Schönbichler Horn

6. Tag

Furtschlaglhaus – Schlegeisspeicher

Bei mir war an diesem Tag Schluss, mein rechtes Knie machte mir zu schaffen, ich merkte es bei fast jedem Schritt, besonders bei den Aufstiegen. Da erschienen mir drei weitere Tage mit vielen Höhenmetern und nicht ganz passenden Schuhen ein zu großes Risiko. Und vom Stausee fuhr ein Bus direkt nach Mayrhofen zum Bahnhof, so dass ich reichlich neun Stunden später wieder in Leipzig war.