25.11.2012

Raketenalarm in Tel Aviv

Tageszeitung in Tel Aviv

Ich hatte schon ein mulmiges Gefühl, als ich am letzten Sonntag (18. November) zum Zürcher Flughafen aufbrach. Es herrschte Krieg in Israel, die Nachrichten zeigten Bilder von Luftangriffen im Gaza-Streifen und dazu die harten Mienen der politischen Führer beider Seiten. Aber der Urlaub war schon lange geplant und ein letzter Blick auf die Seiten des Auswärtigen Amtes (Reise- und Sicherheitshinweise zu Israel) bestätigte mich in der Meinung, dass mir in Tel Aviv und nördlich davon keine unmittelbare Gefahr drohe.

Jedoch kam ich mit meiner Reisebegleiterin überein, dass wir uns zum Thema Sicherheit noch genauer informieren wollten. Kurz vor der Reise hatte es in Tel Aviv erstmals seit dem Golfkrieg wieder Raketenalarm gegeben. Und auf der Seite der Deutschen Botschaft in Tel Aviv fand ich dann auch die übersetzten Verhaltenshinweise für den Verteidigungsfall. Nach dem Ertönen der Warnsirene bleiben 90 Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen. Je nach eigenem Aufenthaltsort kann das ein Sicherheitsraum sein, wie es ihn in jeder Wohnung dort gibt oder einfach das Treppenhaus im Inneren des Gebäudes. Wenn man mit dem Auto unterwegs ist, soll man anhalten und sich entweder in ein Gebäude begeben oder auf den Boden legen und den Kopf schützen.

Etwas widerstrebend stand ich am Reisetag auf und erreichte mit Mühe und Not meinen Flug. Die große Maschine (Airbus A330-300) war hinzu noch gut belegt, erst auf dem Rückflug sollte ich mit 68 Passagieren eine für die Swiss sehr ungünstige Auslastung erleben. Aber hinzu war das alles kein Thema, ganz normal landete das Flugzeug auf dem Flughafen Ben Gurion. Überhaupt wirkte Tel Aviv sehr normal, die Leute ließen sich wenig beeindrucken und gingen zum Strand, zum Einkaufen oder auch abends aus. Bereits in den ersten Tagen hatte sich das Raketenabwehrsystem Iron Dome bewährt, welches fast alle auf Tel Aviv abgefeuerten Raketen abfangen konnte. Dadurch entstand ein fast schon zu sorgloser Umgang mit der Gefahrensituation. Anstatt in Schutzräume zu gehen, waren Leute aufs Dach gestiegen, um dort mit ihren Mobiltelefonen das Abfangmanöver zu filmen.

Familie mit Kindern am Strand

Meine persönliche Begegnung mit dem Raketenalarm fand gleich am ersten Tag meines Aufenthaltes statt. Wir besuchten unsere Freunde in deren Wohnung, als irgendwann abends die Sirenen ertönten. Wir wussten ja, was zu tun war und begaben uns in den Schutzraum der Wohnung. Es war das Kinderzimmer, in dem auch unsere Freunde seit Beginn der Luftalarme nachts schliefen. Für sie war es bereits der vierte Tag in Folge mit Alarm. Wir gingen also ins Zimmer, das Fenster wurde mit dicken Metallplatten geschlossen. Es muss ja splittersicher sein. Dann hieß es einfach warten.

Der Gedanke daran, dass eine Rakete unterwegs ist und irgendwo im Stadtgebiet einschlagen kann – der ist nicht gerade beruhigend. Wir lenkten uns ab und redeten über irgendwas. Es macht ohnehin keinen Sinn, sich die Katastrophe auszumalen. Vielleicht zwei Minuten danach hörten wir eine Explosion, weit weg. Puh. Sofort machte die Nachricht die Runde, dass die Rakete südlich von Tel Aviv über dem Meer abgefangen wurde. Die Frau des ZDF-Korrespondenten, die da wohnte, hatte sie sehr laut gehört. Die Schicksalsgemeinschaft der Fernsehleute funktionierte, alle sind ja in der gleichen Lage. Wir gingen zurück ins Wohnzimmer und setzten unser Gespräch fort. Danke, Iron Dome! Zum ersten Mal in meinem Leben äußere ich mich positiv über Waffentechnik.