Ein Tag in Prag

Schaufenster mit Hinweis auf Kafka-Ausstellung

Ein Zufall brachte mich nach Prag. Vor einer Weile hatte ich mal mit einem Prager Hospitality-Club-Mitglied gechattet, ihre Reisepläne in Bezug auf Dresden hatten sich jedoch zerschlagen. Ich sah sie im ICQ, und sie fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, am Wochenende mit wandern und zelten zu kommen. Das war mir zu knapp, ich schlug stattdessen einen kurzen Besuch in Prag vor.

ZEN in der Kunst des Bogenschießens

Im Zug las ich dieses Buch, welches mir sehr zu denken gab. Ich bin ohnehin in einer Umbruchphase, in der ich einige Dinge hinterfrage. Faszinierend fand ich die Idee, dass der wahre Meister einer Kunst kein bestimmtes Ziel verfolgt, sondern absichtslos und offen ist. Nur in dieser Geisteshaltung kann eine andere Macht seinen Bogenschuss im rechten Moment entspannen und lenkt seinen Pfeil. So seltsam das alles klang, fand ich dennoch die Grundidee, absichtslos zu sein, als guten Kontrastpunkt zu einem zielerfüllten Leben, wie ich es doch zum Großteil führe.

Vorlesung über Kafka und Prag

Neugierig auf Prag hatte mich auch eine Vorlesung gemacht, die ich durch Zufall mit anhörte. Die Anlage fuer den Roboterwettbewerb war schon aufgebaut, als plötzlich ein Schwarm Germanistinnen hereinkam und meinte, sie hätten eine Vorlesung. Dem war auch so, die Veranstaltung war kurzfristig in diesen Raum verlegt worden.

Schwarzweiß-Bilder zogen vorbei, die in Beziehung zu Kafka standen. Die Moldau, die Karlsbrücke, die Nachbildung des Eiffelturms auf einem bewaldeten Hügel, ein Cafe von innen. Auch die Analyse von Werken aus räumlicher Sicht war ein spannender Ansatz, vorgestellt, um dem fragmentarischen Werk Kafkas gerecht zu werden.

Eine weitere intellektuelle Insel, aber vielleicht sogar mehr als das, handelt es sich doch um eine Methode, einen Denkansatz.

Vorgedanken

Im Grunde weiß ich wenig über diese Stadt. Aber ich möchte sie auch nicht aufgrund von Wissen erschließen. Ich will sie sehen, laufen, hören, schmecken, fühlen.

Wissen ist Last, versperrt den Blick. Ich möchte einfach diese Häuser und Gassen sehen, die Kirchen, Brücken und Menschen. Und fotografieren, aber das eigentlich vor allem, um mit geschärftem Blick durch die Stadt zu gehen.

2005 — Jahr der fotografierten Städte. Dresden, Wroclaw, Zuerich, Florenz, Perugia, Siena — und jetzt Prag.

Unterkunft

Ein Wohnheimzimmer inmitten von Prag. Vier Studentinnen bewohnen es. Es ist eng. An den Wänden hängen viele Bilder. Eigentlich zu viele, keines hat mehr die Chance herauszustechen. Musik aus “Schwarze Karze, weißer Kater”. Es ist schon eine seltsame Situation, ich fühle mich als Ehrengast, darf sogar auf dem Sessel sitzen (die anderen Sitzgelegenheiten sind ganz normale Stühle). Die Gastfreundschaft verwirrt mich.

Insgesamt fühle ich mich doch sehr an Polen erinnert. Die fremde Sprache, die Freundlichkeit, auch die Stadt mit ihren alten Straßenbahnen, schönen Vierteln, alten Fassaden und quirligem Pub-Leben.

Zwei Doppelstock-Betten, vier kleine Schreibtische, ein kleiner Tisch in der Mitte, auf ihm steht eine Pfanne mit Spaghetti-Resten, welche mit einem Deckel bedeckt sind. Auf einem der Schreibtische steht ein Laptop mit Boxen. Es ist eng aber gemütlich.