Leipzig im November 1918
Leipzig ist bekannt als einer der Hauptschauplätze der friedlichen Revolution von 1989. Es ist gut, sich auch die erfolglosen Revolutionsversuche vor Augen zu führen, wie eben die Novembertage 1918. Zu diesem Zweck bot Paula Piechotte einen Spaziergang auf den Spuren der Novemberrevolution von 1918 in Leipzig an, moderiert vom Historiker Dr. Stephan Stach.
Wir begannen unseren historischen Spaziergang am Hauptbahnhof. Denn dort versammelten sich am 8. November 1918 etwas 100 Soldaten und Matrosen, die nicht mehr zurück an die Front wollten. Erst wenige Tage zuvor hatte die deutsche Marineführung den Befehl gegeben, dass die deutsche Flotte zu einer letzten Schlacht gegen die Engländer ausfahren sollte, ein Selbstmordkommando. Die Bahnhofswachen wurden entwaffnet und eine wachsende Gruppe zog durch die Innenstadt, mit einer roten Fahne. Ihr Ziel ist nicht etwas das Neue Rathaus, sondern vielmehr das Volkshaus, das Hauptquartier der Arbeiterbewegung. Diese wurde in Leipzig vom charismatischen Richard Lipinski angeführt, der die Soldaten und Matrosen mit einer fulminanten Rede für sich einnimmt. Ein Arbeiterrat wird gegründet, der sich schon bald mit dem Soldatenrat vereint.
Dieser vereinte Rat erhob nun Anspruch auf die Macht, ließ jedoch die Verwaltung bestehen. Es war somit eine parallele Struktur, die auch keine weiteren Räte mehr aufnahm. Dies behagte vielen Leipzigerinnen und Leipzigern nicht so sehr, gerade die Studenten und monarchistisch gesonnene Zeitgenossen sahen dem Treiben mit großer Distanz zu.
Dennoch gab es auch viele Unterstützer. Auf dem Augustusplatz fand am 10. November eine Großdemonstration statt, zu der an die 100.000 Teilnehmer strömten. Ein dreitägiger Generalstreik versetzte dem strauchelnden alten System den Todesstoß, auch der sächsische König floh aus Dresden und dankte wenig später ab.
Doch lange konnten sich die neuen Machthaber nicht behaupten. Im März 1919 ordnete die Berliner Regierung an, die Räte aufzulösen, notfalls auch mit militärischer Gewalt. Die SPD unter Friedrich Ebert wollte eine Wiederholung der Russischen Oktoberrevolution verhindern und setzte auf die Zusammenarbeit mit der Heeresleitung. Durch einem Lynchmord in Dresden am 12. April fand sich ein Anlass, auch in Sachsen die Herrschaft der Räte zu beenden. Am 11. Mai marschierten dann aus verschiedenen Richtungen die Freikorps-Truppen unter Generalmajor Maercker ein, der vorher bereits in anderen Städten durch militärische Gewalt die republikanische Ordnung wiederhergestellt hatte. So auch in Leipzig, gegen die schwer bewaffneten Soldaten gab es keine Aussicht auf Widerstand und die Räte wurden aufgelöst und eingesperrt.
Gerade dieses letzte Kapitel bot Stoff für eine Diskussion, der Ebert-Groener-Pakt führte dazu, dass Freikorps viele sozialistisch motivierte Aufstände niederschlugen. In Leipzig kam es beim Einmarsch der Freikorps nicht zu Kämpfen, an anderen Orten gingen die Opferzahlen aber in die Tausende.