8.5.2023

Die Spur der Kohle

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Anlass

Die Grüne Stadtratsfraktion beantragte bereits im September 2022 eine stärkere Würdigung der Umweltbewegung der DDR.

Die jüngere Geschichte der Stadt Leipzig ist zum einen untrennbar mit dem Energieträger Kohle verbunden, wie viele Tagebaufolgeseen zeigen, und zum anderen auch mit der Umweltbewegung der DDR. 1982 wurde unter dem Dach des Jugendpfarramtes eine der ersten Umweltgruppen in der DDR überhaupt gegründet, die sich später nicht nur den Fragen des Umweltschutzes widmete, sondern auch das System in Frage stellte. Damit wurden die Umweltbewegung der DDR und ihre Protagonist*innen eine der Triebfedern der friedlichen Revolution.

Jürgen Kasek in der Pressemitteilung

Das Ziel ist das Sichtbarmachen der Umweltbewegung und Kohlegeschichte an ausgewählten Orten in und um Leipzig, durch Ausstellungen, digitale Rundgänge, Gedenktafeln. Und auch ein Podcast sollte entstehen, sich einreihen und Zeitzeugen zu Wort kommen lassen. Und durch die tatkräftige Unterstützung durch Gisela Kallenbach konnte ich dann auch drei Zeitzeugen zusammentrommeln und den Podcast aufnehmen.

Zurück in die 80er

Ich begann mit einer Kurzvorstellung des Ökolöwen, einer wichtigen Umweltgruppe in Leipzig, die nach wie vor aktiv ist und jedes Jahr einige Großveranstaltungen organisiert.

Aber um die Gründung des Ökolöwen 1989 zu verstehen, gingen wir zurück an den Beginn der 80er Jahre, als Leipzig grau und verfallen, sowie Teil der DDR war. In der Stadt gab es zwar zahlreiche Industriebetriebe, jedoch waren diese Jahrzehnte nicht modernisiert worden und kaum wettbewerbsfähig. Die Kanäle und Flüsse waren verdreckt, über die holprigen Straßen kämpften sich die wenigen Trabanten und Wartburgs. Rund um Leipzig im Mitteldeutschen Revier wurde Braunkohle abgebaut, der wichtigste Energieträger der DDR. Tagebauten hinterließen gigantische Schneisen der Verwüstung, ganze Dörfer mussten weichen. Besonders eklatant war die Situation im Braunkohleveredelungswerk Espenhain, welches in einem furchtbaren Zustand war. Bei ungünstigen Witterungsbedingungen mussten Soldaten mit Fackeln an der Landstraße stehen, sonst hätte man diese für den Verkehr sperren müssen. Nördlich befand sich das Mitteldeutsche Chemiedreieck mit Leuna, Buna und Bitterfeld, in dieser Zeit eine der schmutzigsten Regionen Europas.

Die Probleme waren also mit den Händen zu greifen, bzw. es kratze im Hals, wenn man zur falschen Zeit rausging oder das Fenster öffnete. Und so entschlossen sich meine drei Gäste damals aus verschiedenen Gründen, für eine bessere Umwelt zu engagieren.

Kulturbund der DDR

Der Kulturbund war eine schon lange existierende staatsnahe kulturelle Massenorganisation der DDR. In Leipzig gab es mehrere Orts- bzw. Arbeitsgruppen, Leiter anfänglich ein SED-Kader. Hier engagierte sich Kristina Kasek, übernahm bald auch die Leitung. An der Käthe-Kollwitz-Straße fand die Gruppe ein nicht genutztes Schaufenster, das sie fortan regelmäßig mit Wandzeitungen füllte. Darin gab es Informationen zur Umweltsituation und Ankündigungen von Veranstaltungen, z.B. zur Luftqualität in Leipzig. Eine Konfrontation mit der Staatssicherheit gab es nicht, was auch den Freiraum zeigt, der mancherorts möglich war, wenn man sich nur traute.

AG Umwelt beim Leipziger Jugendpfarramt

Unter dem Dach der Kirche gründete sich bereits 1982 die AGU, Gisela Kallenbach stieß früh dazu, Roland Quester dann 1986, aufgerüttelt durch die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl. In dieser Gruppe entstanden die Streiflichter, eine regelmäßige Publikation zu Umweltthemen. Hier schaute die Stasi aber genauer hin, sowohl Gisela Kallenbach als auch Roland Quester wurden observiert und hatten spürbare Nachteile, z.B. die Ablehnung eines angestrebten Hochschulstudiums.

Ökolöwe-Gründung 1989

Als sich dann 1989 völlig unverhofft die Wende ereignete, entstand sehr bald die Idee eines Zusammenschlusses der vielen Leipziger Umweltgruppen. Man wollte keine weitere Ortsgruppe einer bestehenden Umweltgruppe wie BUND oder Greenpeace sein, sondern weiterhin mit maximaler Autonomie und kommunal direkt Einfluss nehmen. Der Name wurde demokratisch abgestimmt, wobei der Löwe als Leipziger Wappentier Pate stand.

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