4.2.2008

Lernen von Theatertext

Cricket-Monolog in Tom Stoppards "Das einzig Wahre"

Ich möchte hier eine Methode vorstellen, die für mich funktioniert. Das Wesentliche meiner Herangehensweise besteht darin, mir immer nur soviel Text vorzunehmen, wie ich fassen kann. Am Anfang sind das Satzteile, später Sätze, noch später Seiten, irgendwann Szenen.

1. Textlernen

Wenn ein Text neu ist, nehme ich mir einen Satzteil vor und lese ihn mehrmals. Dann schaue ich vom Text weg und wiederhole diese Passage auswendig. Wenn das nicht klappt, lese ich nochmals. Notfalls teile ich die Passage in kleinere Happen auf. Wenn ich eine Passage kann, kommt der nächste Satzteil, wieder lesen, dann ohne Text wiederholen. Wenn das klappt, nehme ich den ganzen Satz und wiederhole den. So taste ich mich langsam voran, Nebensatz für Nebensatz, bis der gesamte Einsatz komplett ist. Dann wieder von vorn aufsagen ohne dabei in den Text zu schauen. Immer nur so große Häppchen, dass mein Gehirn das fassen kann.

2. Trainieren mit Einsätzen

Ich denke, dass die Wiederholungen mit Einsätzen das Entscheidende sind. Also eine wirklich selbstkritische Abfrage, bei der ich den Text verdecke. Dabei schiebe ich meine Hand oder ein Stück Papier langsam nach  unten und stoppe, wenn ich an einem Einsatz angelangt bin. Es ist dann wie in der Probe, die anderen sagen ihre Sachen und dann muss man irgendwann auf dieses Signal hin seinen Text bringen. Durch diese Methode merke ich, ob ich auf den Einsatz hin meinen Text beherrsche. Es ähnelt dem Vokabellernen mit doppelt bedruckten Kärtchen. Man sieht das deutsche Wort und muss das fremdsprachige wissen.

Was man nicht tun sollte, ist einfach nur lesen, leicht lässt man sich mitreissen, ohne wirklich Text zu lernen dabei. Beim Lesen ist es klar, erst bei einer wirklichen Abfrage merkt man, ob man den Text auch beherrscht. Für mich ist der Text immer der Anfang, das Spielen ergibt sich dann erst später, also Betonung, Intension, Hintergedanken, Mimik.

Analogie zum Lernen von Klavierstücken

Beim Klavierspielen ist es das Gleiche. Ich will auch immer lieber das ganze Stück spielen, obwohl ich einzelne Takte noch gar nicht beherrsche. Man betrachtet dann einzelne Takte, bei komplizierten Passagen auch nur einzelne Töne. Wie greife ich um zwischen diesen beiden Akkorden? Erst wenn man das oft genug wiederholt und automatisiert hat, kann man sich wieder hinaus bewegen und den Takt oder die Passage anschauen. Es mag unterschiedlich sein, da beim Klavierspielen Motorik eine Rolle spielt, aber das Prinzip der kleinsten fassbaren Einheit ist für beide Domänen anwendbar.