Sonntag Morgen
An manchen Tagen macht es keinen Spaß aufzustehen. Wenn man die Gardinen zurück zieht und sich einem statt einer sonnigen Morgenstimmung nur der Ausblick auf Nebelfelder bietet, könnte man auch gleich im Bett liegen bleiben. Nicht einmal der Üetliberg ist zu sehen mit seinem Antennenturm und der Aussichtsplattform. Es ist alles so gedämpft, ich kann mich nicht einmal an die Kirchenglocken erinnern, die mich sonst jeden Sonntag Morgen eindringlich an die Nachbarschaft eines Kirchengebäudes erinnern.
Eigentlich wollte ich ja um sechs aufstehen, aber wie einem Alkoholiker fällt mir immer eine gute Ausrede ein, warum ich gerade heute einfach länger schlafen muss. Es gab Käsefondue gestern Abend, und es schmeckte vorzüglich, so vorzüglich, dass ich meinem Magen einiges zumutete, an Käse, Weißbrot, Weißwein und auch Kirsch (Verteilerli genannt). Deshalb fühle ich mich auch durchaus legitimiert, heute mal auszuschlafen und erst gegen neun Uhr aufzustehen. Aber in der Woche werde ich es dann wieder probieren, inspiriert durch einen Kollegen und diesen Weblogeintrack von Steve Pavlina. Einfach um sechs aufstehen, in einer Art Reflex beim ersten Weckerklingeln. Vielleicht sollte ich mir auch nicht das Radio stellen, es verführt zu sehr, das Ende des Liedes abzuwarten, oder der Nachrichten. Und dann ist man drin in einer Aufschiebungstaktik, die erst ein-zwei Stunden später zum Aufstehen führt.
Aber heute darf ich ja eine Ausnahme machen, legitimiert duch das Käsefondue. Für alle Nichtschweizer möchte ich hier noch auf die Zubereitung dieses Schweizer Nationalgerichts eingehen. Wichtigste Zutat ist natürlich der Käse. Anfänger kaufen fertige Mischungen im Supermarkt, Profis gehen zum Käsestand und stellen sich ihre Mischung selbst zusammen. Da Käsefondue eine Spezialität der Romandie (französischsprachige Schweiz) ist, verwendet man Gruyere, Fribourgeois, aber auch Emmentaler oder Tilsiter, ganz noch persönlicher Vorliebe. Der zweite Bestandteil eines guten Fondues ist der Weißwein, ungefähr ein Drittel des Fondues besteht bevorzugt aus Fendant, den es aber auch noch beim Fondue zum Trinken gibt. Das Gleiche gilt für den Kirsch, der ebenfalls sowohl im Fondue wie auch außerhalb seine Wirkung entfaltet. Desweiteren schwimmen im Fondue-Topf, dem Caquelon, noch Knoblauch-Scheiben, die man am Ende ganz gut mit dem Brotspieß herausfischen kann. Zum Verdicken des Fondues wird Maismehl verwendet. Erbittert streitet man sich über die Fondue-Konsistenz, die Originalversion aus der Romandie kommt recht flüssig daher, während man hier in Zürich eher zum verdickten Fondue neigt. Entsprechend besteht auch der Brauch, Fondue nur im Winter zu essen, mehr in der Deutschschweiz, während das leichtere Fondue der Romandie ganzjährig genossen wird.
Nach diesem Exkurs in die Welt der Schweizer Gastronomie – mittlerweile haben die Kirchenglocken angefangen zu schlagen – möchte ich noch meine gestrige Ausschlafausrede erwähnen, das tonhalleLATE. Die Tonhalle ist der Ort für klassische Musik in Zürich. Mit den tonhalleLATE-Veranstaltungen möchten die Tonhalle-Verantwortlichen eine Brücke zwischen moderner und klassischer Musik bilden. Den Rahmen bilden entsprechend einige DJs, die in den Vorräumen auflegen. Um zehn gibt es dann im altehrwürdigen Hauptsaal ein klassisches Konzert, welches entsprechend bekannte, eher leicht zugängliche Werke sind. Dies dauert ungefähr eine Stunde, danach geht es draußen weiter mit den DJs und einigen Tonhalle-Musikern, die fröhlich drauf los musizieren und ihre nicht-klassischen Musikvorlieben ausleben. Ich fand es ein angenehmes und ausgewogenes Ereignis, welche auch vorzüglich zur gemischten Architetur der Tonhalle passt. Im Inneren der alte Saal als Ort der klassischen Musik, davor der neu hinzugekommene Eingangsbereich mit Bar. Auch die Zutrittsberechtigung ist ganz auf die anvisierte Zielgruppe junger Erwachsener zugeschnitten, genau wie bei Festivals kriegt man ein Armband.