20.4.2005

Diplomverteidigung

Ich stehe auf und gehe nach vorn. Der Moment ist gekommen, ein letzter Vortrag, ein letztes Mal Fragen beantworten müssen, dann wird es vorüber sein. Ich schaue in die Runde. Prof. Gerlach sitzt mir gegenüber in der Mitte, neben ihm Dr. Norkus im ungewohnten Anzug. Einige Mitarbeiter des Instituts haben sich zu so früher Stunde eingefunden. Und zu beiden Seiten sitzen Freunde, die mich mit ihren freundlichen gespannten Mienen still anfeuern. Der Vortrag beginnt, ich habe ihn nicht geübt, die Worte fließen, erst etwas holperig, dann immer besser.

Die letzte Nacht habe ich schlecht geschlafen, mich stundenlang herumgewälzt. Es waren wahrscheinlich nur wenige Stunden Schlaf, die ich bekommen habe. Die letzte Woche war ein wenig stressig gewesen, da ich noch ein Poster anfertigen und die Präsentation vorbereiten musste. Und zuvor hatte ich mich in der Endphase der Arbeit befunden, Korrekturen eingebaut, Grafiken neu gezeichnet, immer wieder Sätze verändert, Absätze umformuliert, Gliederungen überdacht. Es reicht jetzt. Nur noch diesen Vortrag, dann ist Schluss.

Wahrscheinlich wirke ich entspannt und souverän, zu oft habe ich Rhetorik-Trainings absolviert, als dass man mir Aufregung ansähe. Ich bin aufgeregt, innerlich, aber irgendwie auch müde und abgespannt. Ich bin fertig mit diesem Thema, die Arbeit ist geschrieben, die Anregungen und Fragen zwar nett und hilfreich, aber zu spät. Eigentlich stehe ich auch nicht selbst da vorn. Es ist jemand anders, den ich für solche Zwecke in der Hinterhand habe. Ein Teil von mir, der sich durch Rhetorik-Seminare langsam entwickelt hat. Auf jeden Fall kommt mir die Situation nicht wirklich vor, ich stehe neben mir, wie in einem Traum.

Es ist vorbei. Der Vortrag kam gut an, die Fragen einigermaßen intelligent beantwortet, die Hände geschüttelt, die Glückwünsche entgegengenommen, gelächelt, gelächelt. Der Professor wünscht eine steile Karriere, ich weiß damit nichts so recht anzufangen. Mal wieder bin ich über diese Wirkung von mir erstaunt, darüber, wie entschlossen und zielstrebig ich wirke. Aber so richtig Zeit zum Nachdenken bleibt nicht, schon in wenigen Stunden fahre ich los nach Wroclaw, die nächsten Wochen sind allesamt verplant. Meine Zukunft liegt vor mir, verheißungsvoll und doch ungewohnt.