Schleifen
Zu den weniger angenehmen Tätigkeiten als Doktorand gehört sicherlich das Zuendebringen einer Publikation. Vor mir liegt ein Entwurf dieses Machwerkes, versehen mit zahlreichen Kommentaren, welche ich allesamt möglichst einarbeiten sollte. Es ist ein mühsames Schleifen an vielen Stellen, an einem zusammengeworfenen Haufen Lehm zerbrösele ich die Unebenheiten an der Oberfläche und rücke auch hier und da einen Lehmklumpen an eine andere Stelle, damit der Gesamteindruck harmonischer wird. Die Klumpen muessen gleichmässig angeordnet und äusserlich ähnlich aufgebaut sein, zwischen ihnen spannen sich viele feine Faeden, diese sollen möglichst parallel sein. Keiner von den kleinen Lehmklumpen darf einfach so für sich sein, ohne Faden zu anderen Klumpen wird er gnadenlos wegrationalisiert. Gelegentlich spanne ich auch Fäden zu anderen, schon abgeschlossenen Lehmhaufen, welche ringsum zahlreich vorhanden sind. Diese sind meist schön geschliffen und auch schon gebrannt, allein das Brennen verleiht ihnen einen Glanz, von dem ich nur träumen kann.
Das Schleifen ändert vieles, es scheint äusserlich, ist aber in Wahrheit mehr als das, dringt tiefer. Mein Verstand wird auch geschliffen, trainiert fuer subtile Unterschiede in der Darstellung von Dingen. Das Ziel ist Verständlichkeit und Logik, Konsistenz der Darstellung. Man kann Tage, Wochen, Monate damit verbringen, immer wieder liest man, korrigiert, lernt dabei, und wenn man ans Ende gelangt ist, genügt der Beginn bereits nicht mehr dem neu erarbeiteten Standard. Die Klumpen sind verrutscht, einige Verbindungsfäden zerrissen, gerade die langen, welche den Kreis rund um den Lehmklumpen schliessen sollen, sie sind besonders gefährdet.
Vielleicht bin ich auch eher wie eine Spinne, deren Netz ständig von Windböen zerrüttelt wird. Bestimmt werde ich das nächste Netz geschickter anlegen, nicht so eine grosse Fläche damit abdecken wollen, denn damit wird alles komplizierter und fragiler. Aber es fangen sich auch mehr Fliegen…